Corona Nothilfefonds - "Wir müssen aufeinander achtgeben"

04.03.2021
Corona Hilfe

Die DFB-Stiftung Sepp Herberger unterstützt im Rahmen des Corona-Nothilfefonds weiterhin gemeinsam mit Nationalspieler Jonathan Tah durch Corona in Not geratene Mitglieder der Fußballfamilie. Zahlreichen Akteuren des organisierten Fußballs (z.B. Fußballtrainer*innen, Jugendleiter*innen, Staffelleiter*innen etc.) konnten bereits geholfen werden.

 

Förderanträge können direkt bei der Stiftung gestellt werden. Alle weiteren Infos hierzu finden Sie unter https://www.sepp-herberger.de/unterstuetzung/corona-nothilfefonds/

 

Interview mit Jonathan Tah (Bayer Leverkusen)

Nationalspieler Jonathan Tah hat entscheidende Spiele vor der Brust. Mit Bayer Leverkusen trifft er am Samstag (ab 15.30 Uhr, live auf Sky) auf Borussia Mönchengladbach, am 31. Spieltag geht es gegen Eintracht Frankfurt und am 34. Spieltag gegen Borussia Dortmund. Alles direkte Konkurrenten um einen europäischen Startplatz. Und im Sommer findet die Europameisterschaft statt. Dabei zeigt der gebürtige Hamburger auch außerhalb des Spielfelds bemerkenswerten Einsatz. Mit DFB.de spricht der 25 Jahre alte Verteidiger über Verantwortung - im Fußball und im Leben.  

 

DFB.de: Herr Tah, Verantwortung zeigen bedeutet momentan: Hände waschen, Maske tragen, Abstand halten. Wie erleben Sie den Coronaalltag im Profifußball? 

Jonathan Tah: Dass wir als Profifußballer unseren Beruf ausüben können, begreife ich als Privileg. Viele andere Menschen können das derzeit nicht, manche haben sogar ihren Job verloren. Viele haben keine Einnahmen und erleben heftige Existenzängste. Gerade weil wir als Profis dieses Privileg genießen, ist es für mich selbstverständlich, dass ich mich an die Regeln halte.  

 

DFB.de: Wie schwer ist es, im menschenleeren Stadion auf Betriebstemperatur zu kommen und eine gesunde Grundaggression abzurufen? 

Tah: Die Lage ist, wie sie ist. Im Frühjahr 2020 gab es eine Phase, da musste man erst mal klarkommen, auch mit den leeren Stadien. Inzwischen aber haben wir Spieler die Situation komplett angenommen. Wenn man aufs Feld geht, weiß jeder von uns total genau, was Sache ist. Natürlich fehlt die Atmosphäre. Aber inzwischen schaffe ich es, das leere Stadion einfach auszublenden. Der ganze Fokus gilt dem Spiel. 

 

DFB.de: Wie laufen das Catering oder andere Abläufe in Zeiten der Pandemie? 

Tah: Ganz am Anfang waren wir bei allen Dingen rund ums Training alleine oder in kleinste Gruppen aufgeteilt. Also etwa beim Duschen oder beim Essen. Mittlerweile sind die Gruppen etwas größer geworden. Dabei achten wir penibel darauf, sobald wir den Platz verlassen, Abstand zu halten. Bei Besprechungen sitzen wir sehr weit auseinander. Vergisst man das einmal, wird man sofort erinnert. Selbstverständlich werden wir häufig getestet. Die Abläufe bezüglich Corona sind bei Bayer Leverkusen bis ins Detail strukturiert und vorgeschrieben. Entscheidender scheint mir aber, wie ich mich privat verhalte. Der Verein kontrolliert uns nicht, deshalb ist gerade im Privatleben jeder zu 100 Prozent selbst in der Verantwortung.  

 

DFB.de: Welche Leitlinien haben Sie sich für den Umgang mit der Familie und Freunden gesetzt? 

Tah: Ich bin sehr, sehr vorsichtig. Teile meiner Familie gehören einer Risikogruppe an. Wenn ich mir vorstelle, dass ich jemanden anderen anstecke, ob in meiner Familie, in meinem Freundeskreis oder auch außerhalb davon, das fände ich schlimm. Wenn ich mir zusätzlich noch vorstelle, derjenige käme in einen schweren Krankheitsverlauf - so etwas soll nicht passieren. Ich möchte mir nicht irgendwann sagen müssen: Hätte ich mich doch nur an die Regeln gehalten.

  

DFB.de: Machen Sie sich Sorgen, sich zu infizieren? 

Tah: Angst ist kein guter Wegbegleiter. Wie schon gesagt, verhalte ich mich vorsichtig. Ich übernehme für mich selbst Verantwortung, um dadurch niemanden anderen anzustecken.  

 

DFB.de: Auch außerhalb des Spielfeldes übernehmen Sie Verantwortung. Sie engagieren sich für den Corona-Nothilfefonds der Sepp-Herberger-Stiftung, den Sie gleich zu Beginn unterstützt haben. Worum geht es dabei?

Tah: Als zu Beginn des Jahres 2020 klar wurde, was für ein Gegner Corona ist, welche Auswirkungen die Pandemie auch auf den Fußball in Deutschland haben wird, habe ich mich gefragt, wie ich Verantwortung übernehmen kann. Wie kann ich betroffenen Menschen helfen? So entstand die Idee zum Corona-Nothilfefonds. Wir wollten und wollen Menschen helfen, denen durch den Lockdown im Amateurfußball oftmals auch sehr kleine Einkommen weggebrochen sind. Da geht es ums Geld, aber auch um Emotionen. Wir müssen zusammenstehen, wir müssen aufeinander achtgeben, gerade auch im Fußball. Was macht eigentlich gerade der Würstchenverkäufer? Die Fußballfamilie ist soviel größer als wir Spieler, die auf dem Platz stehen. Wenn wieder gespielt wird, werden wir alle diese ehrenamtlich engagierten Männer und Frauen brauchen. Der Fonds soll einigen helfen, so weit es geht unbeschadet den Lockdown zu überstehen.  

 

DFB.de: Sie haben als Botschafter der DFB-Stiftung Egidius Braun die Patenschaft für das Hopp-Kindertumorzentrum in Heidelberg übernommen.

Tah: Wir sollten durch Corona nicht vergessen, dass es andere Krisen und auch andere Krankheiten gibt. Ich habe die Kinder und Jugendlichen in der Klinik besucht und später eine Gruppe auch zu einem Heimspiel von Bayer Leverkusen eingeladen. Die Stiftung und das KiTZ halten mich über den Verlauf der Gesundung der Kinder und Jugendlichen auf dem Laufenden. Das liegt mir sehr am Herzen. Ich versuche, soweit dies möglich ist, den Kontakt zu halten. Es geht ums Mut spenden, darum, einen tollen Tag gemeinsam zu verbringen. Das darf Nachahmer finden, muss aber ganz sicher nicht in der Öffentlichkeit stattfinden. Darum geht es gerade bei diesem Engagement einfach nicht. 

 

DFB.de: Verantwortung übernehmen, das heißt auch: Haltung zeigen, klare Kante. Wie wichtig ist das, wenn es mal sportlich nicht so läuft? 

Tah: Man muss erst mal bei sich selbst anfangen. Wie kann ich meinen Teil dazu beitragen, dass sich die Situation insgesamt bessert? Kritik muss immer zuerst Eigenkritik sein. Wenn das passt, kann man auch mal Mitspieler ansprechen. Nach einem schlechten Spiel, wie am Sonntag unsere 1:2-Niederlage gegen Freiburg, muss man das Rückgrat haben, trotzdem das Interview zu geben. Die Fans haben ein Anrecht darauf, zu erfahren, woran es gerade liegt. 

 

DFB.de: Und woran liegt es? 

Tah: Die Gegner verstehen inzwischen besser, wie wir spielen. Und haben dementsprechend ihr Spiel angepasst. Wir begegnen in der Rückrunde ganz anders aufgestellten Gegnern. Wir müssen neue Lösungen finden. Die Gegner stehen tiefer und kompakter. Unsere Außenspieler, die eine absolute Stärke sind, werden meistens gedoppelt. Wir brauchen von allem mehr. Mehr Leidenschaft, mehr Überzeugung, mehr Kampf. Wir müssen das Spielglück zurückgewinnen und auch erzwingen. Wir befinden uns in einer schwierigen Phase. Aber es ist auch nicht so, dass wir jetzt alles vergessen können. Wenn wir unsere Qualitäten wieder auf den Platz bringen, weiß jeder, wozu wir in der Lage sind. Damit wollen wir am Samstag gegen Gladbach anfangen.

 

DFB.de: Haben Sie denn abseits des Fußballs ein Vorbild, wenn es darum geht, Haltung zu zeigen, um Verantwortung zu übernehmen? 

Tah: Mir sind viele Menschen begegnet, im Fußball, auch anderswo, die Verantwortung übernommen haben. Aber eine einzelne Person habe ich da nicht. Ich möchte klar öffentlich für meine Werte einstehen und damit gerne auch anderen jungen Fußballer*innen ein Vorbild sein. Verantwortung zu übernehmen, finde ich wichtig, das wird sich auch nicht ändern.

 

Quelle: DFB.de