Gudrun Rebholz mit 60 noch am Ball

05.01.2020
Gudrun Rebholz

Gudrun Rebholz spielt für ihr Leben gerne Fußball. Klingt zunächst einmal nicht spektakulär. Doch wenn man bedenkt, dass sie das schon fast 50 Jahre lang macht und mit mittlerweile 60 immer noch dem Ball hinterherjagt, dann ist das schon etwas Besonderes. „Das Fußballspielen hat mich schon als Kind fasziniert. Anfangs habe ich mit meinem Bruder auf der Straße gekickt“, erzählt Rebholz, die im Ludwigshafener Stadtteil Gartenstadt aufgewachsen ist.

Als 1970 der Deutsche Fußball-Bund den vorher verbotenen Frauenfußball legalisierte, wollte die damals elfjährige Gudrun wie ihre Schwester beim Ludwigshafener SC spielen. Doch in diesem Alter war dies noch nicht gestattet. „Mein Vater hat mir damals fast etwas spöttisch gesagt, dass ich in die USA gehen muss, wenn ich Fußball spielen will“, erinnert sich die heute 60-Jährige. Sie träumte damals von den USA, bleib aber hartnäckig. „Ich habe genervt“, sagt Rebholz und lacht. Und zwar so lange genervt, bis sie beim LSC trainieren durfte und mit 14 in der Mannschaft mitspielen konnte. Die folgende Geschichte ist symptomatisch für Gudrun Rebholz: „Ich hatte Windpocken und sollte auf ärztlichen Rat hin nicht trainieren. Da ist bei mir eine Welt zusammengebrochen“, blickt sie zurück. Fast überflüssig zu erwähnen, dass sie sich aus dem Haus geschlichen und doch trainiert hat.

Der Frauenfußball steckte zu diesen Zeiten noch in den Kinderschuhen. Weil die junge Gudrun aber beim LSC herausragte und der TuS Niederkirchen fragte, ob sie nicht wechseln wolle, folgte 1977 der Transfer nach Niederkirchen. „Mein Vater hatte seine Zustimmung gegeben“, erklärt die Sportlerin. Beim TuS fühlte sich die Südwestauswahlspielerin wohl und identifizierte sich mit dem Klub. Der spielte in dieser Zeit auf Südwest-Ebene, mit Gudrun Rebholz auf der Position des Liberos. „Ich bin bis heute Fan von Bayern München und deshalb war Franz Beckenbauer mein Vorbild. Wir spielten ja dieselbe Position“, erläutert Rebholz.

Mit Niederkirchen in der Bundesliga

Zur Saison 1990/91 wurde die zweigeisige Frauen-Bundesliga eingeführt. Ein Meilenstein im Frauenfußball. Doch Gudrun Rebholz hatte im Mai 1990 ihren zweiten Sohn zur Welt gebracht. Dem achtjährigen André folgte Nesthäkchen Kevin. Das (zumindest vorläufige) Ende der Fußballer-Laufbahn? Nein, natürlich nicht. Die Bundesliga lockte. „In der Vorbereitung war ich wieder dabei. Da war Kevin gerade einmal sechs Wochen alt“, berichtet Rebholz. Allein dies kennzeichnet das Wesen der fußballverrückten Frau. „Ich bin äußerst ehrgeizig, manchmal sogar verbissen. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es zu 100 Prozent“, verdeutlicht Rebholz, die im Gründungsjahr der Bundesliga für Niederkirchen am Ball war. Ausgebremst hat die zweifache Mutter erst ein Knöchelbruch, den sie sich bei einem Spiel in Saarbrücken zuzog. Erst diese schwere Verletzung, der hohe Trainingsaufwand, der Beruf und zwei kleine Kinder ließen sie kürzertreten.

Doch kürzertreten heißt nicht aufhören, schon gar nicht bei Gudrun Rebholz. Sie spielte in der zweiten Garnitur, half hin und wieder in der „Ersten“ aus und wurde Mitglieder der Ü35. In dieser Mannschaft spielt sie auch heute noch, mit 60. Der Verein heißt seit 2008 1.FFC 08 Niederkirchen. An ihrer Verbundenheit hat das nichts geändert. „Einmal in der Woche kicken wir, auch in der Halle. Nicht mehr leistungsmäßig, sondern weil es uns Freude macht“, sagt die Abwehrspielerin. Im Vordergrund stehen andere Dinge: Die Geselligkeit, Geburtstage feiern, Ausflüge machen, ein Stammtisch in Oggersheim. Sportlich muss sich das Team aber nicht verstecken: 2017 qualifizierte sich die Ü35 des FFC für die Deutschen Meisterschaften der Seniorinnen in Berlin.

In all den Jahren war die Organisation ein Eckpfeiler des Familienlebens. Denn Ehemann Robert, mit dem sie heute in Oggersheim lebt, spielte ebenfalls Fußball und später kamen die Söhne dazu, die sich für Handball (André) und Fußball (Kevin) entschieden. „Robert und ich haben uns die Organisation und am Wochenende den Haushalt geteilt. Das hat gut geklappt, auch wenn Freundschaften auf der Strecke blieben, weil wir keine Zeit hatten“, erinnert sich Gudrun Rebholz, die seit elf Jahren als Verwaltungsangestellte bei Caritas in Ludwigshafen arbeitet.

Ein Traineramt war keine Option

An ihrer Rastlosigkeit hat sich nichts geändert. Vier- bis fünfmal pro Woche geht sie ins Fitness-Studio. „Ich muss immer etwas machen. Dadurch bin ich relativ fit“, betont Rebholz. Und wenn sie im Spiel auf deutlich Jüngere trifft, dann ist das eher Ansporn als Qual. „Schnelligkeit und Spitzigkeit haben nachgelassen, aber ich war nie langsam und kann immer noch gut mithalten“, erklärt die Verteidigerin. Ein Traineramt zu übernehmen, sei keine Option gewesen. „Die Einstellung zum Fußball ist schlechter geworden, und ich kann kein Auge zudrücken“, sagt sie. Vor Jahren habe sie darüber nachgedacht, mit 60 aufzuhören. „Jetzt bin ich 60 und habe noch großen Spaß. Deshalb spiele ich weiter.“ Und so wird Gudrun Rebholz nach wie vor wenig Zeit haben für andere Hobbys. So bleibt es wohl beim Backen. Kuchen etwa oder Weihnachtsgebäck. „In diesem Jahr habe ich wieder 24 verschiedene Sorten gebacken“, sagt sie lachend. Wie schon gesagt: Wenn sie etwas macht, dann zu 100 Prozent.

Foto: Voller Einsatz: Wenn Gudrun Rebholz etwas macht, dann zu 100 Prozent.

Text: Thomas Leimert